In der österreichischen Hauptstadt lebten schon immer viele Liechtensteiner – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Und auch wenn der Fürst von Liechtenstein mit seiner Familie in Wien Wohnsitz nähme, wäre das nichts Aussergewöhnliches.
Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner zieht es oft und gern in fremde Länder. Mehr als jeder Zehnte hat seinen Wohnsitz ausserhalb des Fürstentums. Die einen verlassen aus beruflichen oder familiären Gründen ihre Heimat, andere schlagen für ein paar Jahre im Ausland ihre Zelte auf. Der mit Abstand grösste Teil der «Exil-Liechtensteiner» lebt in der Schweiz. Beliebtes Aufenthaltsland ist auch Österreich, wo fast 1000 Liechtensteiner Bürgerinnen und Bürger Wohnsitz haben (siehe Infobox) – jenes Land, mit dem Liechtenstein seit Generationen eng verbunden ist. Von diesen Liechtensteiner Bürgern leben mehrere Dutzend in Wien. Darunter findet man Künstler und Studenten, Rechtsanwälte und Treuhänder, Diplomaten und Wissenschaftler.
Wenn der Fürst auswandert
Was passiert, wenn der Fürst von Liechtenstein seinen Wohnsitz von Vaduz nach Wien verlegt? Kann ein Staatsoberhaupt überhaupt auswandern und sein Land aus dem Exil regieren? Und wie verhält sich der Staat Österreich gegenüber seinem neuen Mitbewohner?
«Rechtlich ist es durchaus möglich, dass sich ein Staatsoberhaupt in einem fremden Land niederlässt und seine Heimat aus der Ferne regiert», sagt ein renommierter Verfassungsrechtler. Aber der Normalfall ist ein Staatschef im Exil eher nicht.
In Liechtenstein allerdings schon: Bis 1938 hatte der regierende Fürst in Wien Wohnsitz und besuchte das Fürstentum nur zu besonderen Anlässen. Würde nun Hans-Adam II. Wohnsitz und Büro von Schloss Vaduz ins Stadtpalais Liechtenstein an der Wiener Bankgasse verlegen, hätte das für das Land Liechtenstein keine direkten Konsequenzen. Im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel spielt es keine Rolle mehr, wo der Fürst seinen Arbeitsplatz hat.
Als Staatsoberhaupt mit diplomatischem Status
In Wien leben und arbeiten heute Hunderte von Diplomaten. Sie sind beim Staat Österreich akkreditiert und vertreten dort die Interessen ihrer Heimatländer. Welche Rolle käme einem im Wien lebenden Liechtensteiner Fürsten zu? «Als amtierendes Staatsoberhaupt genösse er weiterhin diplomatischen Status», sagt der Völkerrechtler. Der Monarch wäre von den direkten Steuern befreit und besässe diplomatische Immunität, so wie es das Wiener Übereinkommen von 1962 vorsieht, das den diplomatischen Verkehr und die Immunität von Diplomaten regelt und bis heute von 174 Staaten (auch von Liechtenstein) unterzeichnet worden ist. Würde der Fürst straffällig, könnte er von einem österreichischen Gericht nicht behelligt werden. «Grundsätzlich besässe der Fürst in Wien einen ähnlichen Status wie in Liechtenstein», sind sich die Juristen einig.
Als Privatperson keine Privilegien
Ganz anders, wenn der Monarch auf das Amt des Staatsoberhauptes verzichtete: Hans-Adam ginge aller seiner Privilegien verlustig: Anders als in Liechtenstein, wo der Monarch von der Steuerpflicht befreit ist, müsste er in Österreich wie jeder andere Bürger hohe Steuern bezahlen. Bei einem geschätzten Vermögen von mehreren Milliarden Franken und als eine der grössten Grundbesitzerinnen Österreichs würden der Familie Liechtenstein happige Steuerrechnungen ins Haus flattern. Und auf alles, was der Fürst in Wien einkauft, hätte er Mehrwertsteuer zu bezahlen.
Wegen des in Österreich geltenden Adelsaufhebungsgesetzes müssten er und alle anderen Mitglieder der fürstlichen Familie, welche sich in Österreich niederliessen, auf sämtliche Adelsprädikate verzichten. Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, Herzog von Troppau und Jägerndorf dürfte sich in Wien lediglich Hans-Adam Liechtenstein nennen.
Liechtensteiner im Ausland
Ob Kanada oder Kolumbien, Australien oder Philippinen, Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner sind in aller Welt zu Hause. Laut dem statistischen Jahrbuch 2011 lebten 2009 exakt 3307 Liechtensteiner ausserhalb ihres Heimatlandes. Der weitaus grösste Teil (2983) hat sich in einem europäischen Land niedergelassen. Mehr als die Hälfte davon (1671) lebt in der Schweiz. Zweitgrösstes «Exilland» ist Österreich, wo sich 968 Liechtensteiner niedergelassen haben. In der Bundeshauptstadt Wien haben mehrere Dutzend Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner aus familiären, beruflichen oder privaten Gründen Wohnsitz genommen.