Liechtensteiner Verfassungslehre?

Leserbrief im Liechtensteiner Volksblatt vom 20. Januar 2011

In einem Leserbrief vom vergangenen Samstag schreibt Herr Victor Arevalo: Dass die Landesverfassung 2003, die das Volk sich selbst gab, die demokratischste der Welt ist, stellt eine Tatsache dar. Das Volk weiss allerdings, dass ein Gesuch, das 1500 Bürger unterschreiben und das Stimmenmehrheit an den Urnen gewinnt, zum Mass aller Dinge wird.

Da scheint Herr Arevalo etwas übersehen zu haben oder er verschweigt es bewusst. Unsere Verfassung nennt zwei Souveräne. Damit ist es dann auch schon vorbei mit der Herrlichkeit. Des Volkes Wille wird nur dann zum Mass aller Dinge, wenn auch der zweite Souverän, der Fürst mit diesem Volkswillen einverstanden ist. Unsere Verfassung ist eine Schönwetterverfassung. Sie funktioniert nur wenn zwischen den Souveränen Friede, Freude, Eierkuchen herrscht.

Ich bin durchaus der Meinung, dass in einem Kleinstaat ein vom Grundgesetz mit weitergehenden Rechten als in grösseren Staaten ausgestattetes Staatsoberhaupt auch seine Vorteile hat. Wenn sich aber wie in unserem Fall in einer vom Volk geduldeten Monarchie mit einem vom Volk geduldeten Fürsten eine vom Fürsten geduldete Regierung und ein geduldeter Landtag gegenüberstehen wird’s kritisch. Die vorgesehenen Mittel des Misstrauensantrages an den Fürsten, Abschaffung der Monarchie, Auflösung des Landtages oder Entlassung der gesamten Regierung bei Vertrauensverlust können bei banalen Differenzen bereits eine Staatskrise herbeiführen.

Gerne wiederhole ich an dieser Stelle einen von mir bereits vor Jahren  gemachten Vorschlag: Sollte das Staatsoberhaupt nach einem Volksentscheid nicht bereit sein diesen zu sanktionieren, wird er auch ohne Sanktion des Staatsoberhauptes verbindlich. Für den Entzug dieses absoluten Sanktionsverweigerungsrechtes soll der Fürst das Recht bekommen, einen ihm vom Landtag zur Sanktion vorgelegten Beschluss an diesen zur neuerlichen Beratung zurückzuweisen oder aber von sich aus eine Volksabstimmung zu verlangen. Das Staatsoberhaupt würde dadurch gestärkt obwohl der Souverän Volk nach sorgfältigem Abwägen zwischen der Meinung des Parlaments und des Fürsten für alle verbindlich entscheidet.
Ich hoffe nun, diese Zeilen werden nicht als Provokation sondern als Denkanstoss aufgefasst.

Werner Schädler,
Sückastrasse 41
Triesenberg