Rolle des Staatsgerichtshofs

Quelle: flinfo_2_03

Der gestrichene alte Artikel 112 lautete folgendermassen:

Wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel entstehen und nicht durch Übereinkunft zwischen der Regierung und dem Landtage beseitigt werden können, so hat hierüber der Staatsgerichtshof zu entscheiden.

Dieser Artikel wurde berühmt. Herbert Wille hatte 1995 in einem Vortrag bemerkt, in Art. 112 sei unter dem Begriff «Regierung» der Fürst zu verstehen und bei einem Verfassungsauslegungsstreit zwischen Fürst und Landtag sei der Staatsgerichtshof zum Entscheid berufen. Herbert Wille, der auch Richter war, erhielt wegen dieser Äusserung vom Fürsten ein dauerndes öffentliches Berufsverbot.

Artikel 112 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein

1) Die gegenwärtige Verfassungsurkunde ist nach ihrer Verkündigung als Landesgrundgesetz allgemein verbindlich.
2) Abänderungen oder allgemein verbindliche Erläuterungen dieses Grundgesetzes können sowohl von der Regierung als auch vom Landtage oder im Wege der Initiative (Art. 64) beantragt werden. Sie erfordern auf Seite des Landtages Stimmeneinhelligkeit seiner anwesenden Mitglieder oder eine auf zwei nacheinander folgenden Landtagssitzungen sich aussprechende Stimmenmehrheit von drei Vierteln derselben, allenfalls eine Volksabstimmung (Art. 66) und jedenfalls die nachfolgende Zustimmung des Landesfürsten, abgesehen von dem Verfahren zur Abschaffung der Monarchie (Art. 113).