Dialog statt Überwachung

Das Büro der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hat entschieden: Liechtenstein wird keinem formellen Monitoringverfahren unterworfen. Stattdessen sollen die Probleme mit der neuen liechtensteinischen Verfassung in einem Dialog zwischen dem Europarat und dem Land Liechtenstein gelöst werden. Dieser neue Ansatz und das knappe Zustandekommen der Entscheidung (8:9) zeigen deutlich, dass Vorbehalte gegenüber der liechtensteinischen Verfassung bestehen.

Es wäre für uns Liechtensteiner und Liechtensteinerinnen leichter gewesen, der Europarat hätte uns im Rahmen eines Monitoringverfahrens geholfen, die Mängel unserer Verfassung zu erkennen, um die Nachteile, die sie für das Volk hat bzw. haben kann, zu verhindern. Nachdem aber der Europarat vorerst keine Forderungen nach einer Änderung der Verfassung stellt, müssen wir uns selbst helfen. Selbstverantwortung ist gefragt. Wir müssen selbst beobachten, wie sich die neue Verfassung auswirkt. Müssen selbst Acht geben, dass der Fürst seine Macht nicht missbraucht. Aber wie können wir das? Solange die Parteien mit dem Fürsten einig sind, wird es nicht zu einer öffentlichen Kontroverse kommen. Politische Massnahmen werden nämlich erst gar nicht thematisiert, wenn der Fürst sie nicht von vorneherein gutheisst. Das heisst, es wird z.B. kein Gesetzesvorhaben initiiert und kein Richter vorgeschlagen werden, wenn der Fürst nicht damit einverstanden ist. Welche Partei bzw. welcher Politiker will sich schon von vornherein eines Misserfolges sicher sein? Welche Regierung riskiert schon gerne ihre Entlassung, wenn sie dem Fürsten nicht mehr genehm ist?

Von der oft bemühten künftigen Verfassungswirklichkeit können wir uns heute schon ein Bild machen. Der Fürst hat mehrfach gezeigt, dass er entschlossen ist, die ihm eingeräumten Rechte zu nutzen und zahlreiche Beispiele für seinen autoritären Führungsstil geliefert. Erinnert sei nur an die prophylaktische Verweigerung der Sanktion, sollte die Friedensinitiative vom Volk angenommen werden, seine Äusserung, aus dem Europarat auszutreten, sollte ein Monitoring beschlossen werden und die Vermischung seiner privaten Interessen mit denen Liechtensteins beim EWR-Erweiterungsvertrag. Weitere Beispiele werden zweifelsohne folgen. Vor solchen Machtexzessen muss sich das liechtensteinische Volk nun weitgehendst selbst schützen. Der Dialog, den der Europarat in Aussicht gestellt hat, lässt jedoch die Hoffnung auf Hilfe von auswärts bestehen. Auf diese Hilfe sind wir mehr denn je angewiesen.

Verein zur Stärkung der Volksrechte
Liechtensteiner Vaterland vom 29. November 2003
Liechtensteiner Volksblatt vom 29. November 2003